Fanni

"Nichts ist unmöglich" heisst es in einem allseits bekannten Werbespruch. Dies bewahrheitete sich mal wieder, als wir einen Anruf erhielten, in dem ein Mann ein "ausgesetztes Pferd" meldete. Ausgesetzte Hunde, Katzen oder andere "Kleintiere" standen ja auf der Tagesordnung. Aber ein Pferd??? Ausgesetzt??? Wir dachten zuerst, dass man uns einen Streich spielen wollte. Ein Anruf bei der Polizei ergab aber dann, dass tatsächlich ein Pferd bei diesem Mann gefunden worden war....... angebunden an einem Baum.

Mit Hilfe eines Bekannten, der selber Pferde hatte, holten wir "Fanni" (ein Kaltblut) ab und brachten sie vorläufig auf seinem Paddock unter. Dies war aber nur eine Notlösung. Es musste schnellstens eine Unterbringungsmöglichkeit gefunden werden. Und es musste geklärt werden. wem dieses Pferd gehörte!!!

Wir fanden einen Stall, der Fanni zum "Sondertarif" aufnahm. Die nötige Versorgung war also gewährleistet. Aber wer würde die Pflege übernehmen??? Niemand im Tierheim hatte so recht eine Ahnung von Pferden. Ich erinnerte mich an eine Bekannte, die ich durch eine Bauernhofkatzen-Fangaktion kennengelernt hatte. Von ihr wusste ich, dass sie sehr tierlieb war und sich mit Pferden sehr gut auskannte. Also rief ich sie kurzentschlossen an und bat sie um ihre Hilfe. Es war gar kein Thema ..... sie war sofort bereit zu helfen!!!

Pferde hatten mich schon immer fasziniert, doch ich hatte noch nie engeren Kontakt zu ihnen gehabt. Und ihre Größe hatte mir zugegebenermaßen immer ziemliche Angst eingejagt. :-) Ich beneidete oft diejenigen, die wie selbstverständlich mit diesen wunderbaren Tieren umgingen. Meine Bekannte brachte es dann fertig, mir meine Angst etwas zu nehmen. Sie brachte mir bei, wie man ein Pferd striegelt, ihm die Hufe auskratzt und ganz allgemeine Dinge, die man im Umgang mit Pferden wissen sollte.

Durch diese neuen Erfahrungen auf den Geschmack gekommen, wagte ich es sogar, auf einem anderen (kleineren) Pferd ein paar Reitstunden zu nehmen. Ich war stolz wie Oskar, meine Ängste diesbezüglich in den Griff bekommen zu haben!! Nachdem ich einigermaßen mit dem Reiten vertraut war, sollte ich auch auf "Fanni" reiten. Meine Bekannte hatte dies schon gelegentlich getan, obwohl Fanni, wie sich später herausstellte, ein "Holzrückpferd" war. Sie war wahrscheinlich noch nie geritten worden, aber sie lernte schnell und meine Bekannte fand es an der Zeit, dass ich und Fanni es zusammen probieren sollten!! In dem Stall, in dem Fanni untergebracht war, gab es eine große Reithalle. Ein idealer Übungsplatz!! Und es war ein tolles Gefühl, auf einem größeren Pferd zu sitzen!! Einfach Wahnsinn"!! :-)

Die schleppenden Ermittlungen bezüglich Fanni´s Herkunft ergaben, dass der Anrufer, der Fanni als ausgesetzt gemeldet hatte, eigentlich der neue Besitzer von Fanni war. Er hatte sie jemandem abkaufen wollen, sich dann jedoch anders entschieden. Da auch der Vorbesitzer kein Interesse mehr an ihr hatte, es keinen Kaufvertrag gab und man somit dem neuen Besitzer nichts nachweisen konnte, blieb Fanni ein "Findelkind", für das wir nun ein neues Zuhause finden mussten. Bis die "angeblichen" Besitzer eine Verzichtserklärung unterschrieben hatten vergingen einige Monate  und verhinderten somit eine baldige Vermittlung.

Fanni wurde in dieser Zeit ausschließlich von meiner Bekannten und mir betreut und versorgt. Hier an dieser Stelle noch mal ein "Herzliches Dankeschön" an die "Pferdefrau", ohne die ich ganz schön verloren gewesen wäre!! Nach einigen Monaten bemerkten wir, dass Fanni lahmte. Eine aufwendige Röntgenuntersuchung in einer Pferdeklinik brachte zutage, dass Fanni als Arbeits- oder Reitpferd nicht mehr geeignet war und nur noch als Beistellpferd vermittlet werden konnte. Dies schränkte die von vorneherein nicht sehr zahlreichen Interessenten für Fanni noch mehr ein. Und traurig aber wahr.........die Vorstandschaft dachte über eine "Erlösung" von Fanni nach. Meine Bekannte bemühte sich sehr, einen guten Platz für sie zu finden. Auch überlegte sie, Fanni selber zu übernehmen, weil sie ihr sehr an´s Herz gewachsen war. Aber leider war es ihr aus finanziellen und zeitlichen Gründen damals nicht möglich.

Eines Tages dann teilte uns die Vorstandschaft mit, dass man über ein anderes Tierheim einen Interessenten gefunden hatte, der ca. 400 km weit entfernt wohnte. Gerne hätten meine Bekannte und ich eine Vorkontrolle gemacht, da wir ja diejenigen waren, die sich um Fanni gekümmert hatten und die Einzigen waren, die sie kannten. Aber uns wurde mitgeteilt, dass eine Vorkontrolle nicht nötig sei. Schließlich sei der Interessent von einem anderen Tierheim empfohlen worden. Auf meine Bemerkung hin, dass meine Bekannte sich seit fast 9 Monaten täglich um das Pferd gekümmert hatte und sich in diesem Sinne doch ein kleines Mitspracherecht verdient hätte, bekam ich folgendes zur Antwort: "Es hat sie niemand um ihre Hilfe gebeten!!!"

Was wäre aus dem Pferd geworden, wenn ich sie nicht um Hilfe gebeten hätte?? Ich weiß es nicht und bin auch heute immer noch sehr aufgebracht über diese Bemerkung!!!! In all den Monaten, in denen Fanni zum Tierheim gehört hatte, war nicht ein einziges Mal jemand vom Tierheim oder von der Vorstandschaft im Stall gewesen. Und sich dann mit solch einer Bemerkung für die Hilfe zu bedanken, fand ich dermaßen schockierend, dass ich mich wortlos umdrehte und zum Stall fuhr, um meiner Bekannten davon zu berichten.

Die Interessenten sollten an einem der nächsten Tage anreisen. Wenn ihnen Fanni zusagen würde, könnten sie sie sogar gleich mitnehmen, für eine symbolische Vermittlungsgebühr von DM 1,-. Als ich dies meiner Bekannten erzählte, war sie sehr aufgebracht und beschloss, den Vorstand anzurufen um ihm mitzuteilen, dass sie Fanni selber übernehmen würde. Wollte sie doch verhindern, dass das Pferd so weit und ohne Vorkontrolle vermittelt würde. Wir hatten sogar auf die Schnelle einige Leute gefunden, die bereit waren, sich an den Unterhaltskosten zu beteiligen. Aber sie bekam zur Antwort, dass man den Interessenten so gut wie zugesagt hatte und man jetzt keinen Rückzieher mehr machen könne. Sie hätte schließlich lange genug Zeit gehabt, Fanni zu übernehmen.

An dem Tag, an dem die Interessenten vorbeikommen wollten, fuhr ich etwas früher zum Stall. Von Weitem konnte ich meine Bekannte sehen, die einen letzten Spaziergang mit Fanni machte. Als ich in den Hof einbog, sah ich gleich das fremde Fahrzeug. Aber was ich dann sah, war einfach unglaublich!!!!! Der Vorstand hatte die Interessenten zu einer Box geführt, in der ein Haflinger stand, und ich konnte gerade noch hören, wie jemand sagte: "Ach, ich hatte sie mir größer vorgestellt" Das war der absolute Witz des Tages!!!! Trotz meiner Traurigkeit über die bevorstehende Abreise von Fanni konnte ich mir meine Schadenfreude nicht verkneifen!! Was für eine Blamage!! Ein Tier vermitteln zu wollen, ohne überhaupt zu wissen, wie es aussieht!! Als meine Bekannte dann mit Fanni in den Hof einbog machte der Vorstand große Augen!! Zu gerne hätte ich in diesem Moment einen Fotoapparat zur Hand gehabt und sein Gesicht fotografiert!!!!!

Trotz dieser peinlichen Verwechslung wurde Fanni vermittelt. Da die neuen Besitzer keinen Pferdehänger hatten, brachte der Vorstand Fanni persönlich zu ihm nach Hause. Natürlich auf Kosten des Tierschutzvereins. Eine 6-stündige Fahrt im Pferdehänger. Aber was tut man als "Tierschützer" nicht alles, um sein Gewissen zu beruhigen!!

Meine Bekannte telefonierte einige Male mit den neuen Besitzern und kam zu der Überzeugung, dass Fanni ein gutes Plätzchen gefunden hatte. Nichtsdestotrotz hatte sie beschlossen, sich nicht mehr für diesen Tierschutzverein zu engagieren. Wer mit freiwilligen Helfern auf diese Art und Weise verfährt, braucht sich nicht zu wundern, wenn er eines Tages ganz alleine da steht!!!! Sicherlich wäre es für Fanni weniger stressig gewesen, wenn man sie meiner Bekannten überlassen hätte. Und man hätte 100% sicher sein können, dass es Fanni bis an ihr Lebensende gut gehabt hätte!! Bis heute kann ich die Entscheidung des Vorstands nicht nachvollziehen und ich denke immer noch, dass sie zum Teil getroffen wurde, um mich für meine allzugroße Selbstständigkeit zu bestrafen und mich in meine Schranken zu verweisen!! Dass dies aber letztendlich auf dem Rücken eines Tieres ausgetragen wurde, finde ich feige und erbärmlich!!!

Warum schreibe ich über diese Sache???? Weil mir Ungerechtigkeiten auch nach Jahren noch einen Stich versetzen. Meine Grundeinstellung ist und bleibt, dass man so entscheiden sollte, dass man das Beste "für das Tier" erreicht. Ich habe ímmer versucht, dem Tier entsprechend zu vermitteln!! Nur weil einem Interessenten ein Tier sehr gefallen hat, war das nicht gleichbedeutend damit, dass die beiden auch zueinander passen würden. Und schließlich ist ein Tierheim kein "Geschäft", wo jeder "Kunde" das bekommt, wonach sein Herz begehrt!! Eine Vermittlung zu beschliessen, ohne den Interessenten überhaupt gesehen zu haben, fällt für mich unter den Begriff "Handel" ...... nicht "Tierschutz" Aber vielleicht verdeutlicht dieses Beispiel, dass man auch als "Tierheimleiterin" nicht unbedingt freie Hand hat, sondern dass es da fast immer noch jemanden gibt, der meint, solch unsinnige Entscheidungen treffen zu dürfen. Wäre es nach mir gegangen, hätte meine Bekannte Fanni übernehmen dürfen. Dadurch wäre Fanni ein stressiger Transport über mehrere hundert Kilometer und  ein Orts- bzw. Bezugspersonwechsel erspart geblieben. Ausserdem wären dem Tierschutzverein keinerlei Transportkosten entstanden. Die neuen Besitzer waren nicht in der Lage, für diese Unkosten selber aufzukommen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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